Personal Finance

Update zur Ampel – was steht im Koalitionsvertrag?

Nach der Veröffentlichung des Sondierungspapiers habe ich hier einen Post zu den Punkten geschrieben, die mir unter dem Aspekt Vermögensaufbau und Early Retirement / Leben von Kapitalerträgen besonders relevant erschienen. Jetzt liegt der ausgehandelte Koalitionsvertrag vor, einige der in der Sondierung angerissenen Themen wurden weiter konkretisiert. 

Daher möchte dir gerne ein kurzes Update zu fünf Bereichen geben, die mir aufgefallen sind. 

 

Energiepreise

Die Steigerung der Energiepreise aufgrund der CO2-Abgabe soll mit dem Wegfall der EEG-Umlage auf die Verbraucher kompensiert werden. Die EEG-Umlage wird ab 2023 ‘in den Haushalt übernommen’. Das bedeutet im Klartext, dass sie über Steuern finanziert wird. Gleichzeitig ist die hälftige Teilung der CO2-Abgabe zwischen Mieter und Vermieter bei den Heizkosten wieder im Spiel, dazu unten mehr. 

In 2021 liegt die EEG-Abgabe bei 6,5 Cent pro kWh Strom, und der Gesamtpreis pro kWh in meiner Region lag für 2021 bei vielen Anbietern unter 30 Cent pro kWh. Theoretisch wären hier also auf aktuelle Tarife bezogen bis zu 20% Kostenersparnis auf den tatsächlichen Verbrauch möglich (nicht vergessen, die meisten Anbieter berechnen auch eine monatliche Grundgebühr). Allerdings sinkt die EEG-Abgabe in 2022 auf 3,723 Cent pro kWh. Dementsprechend niedriger ist ihr Anteil an den Strompreisen für das Jahr 2022. Trotz der über vierzig prozentigen Senkung der EEG-Umlage liegt in meiner Region der aktuelle Strompreis inzwischen bei mindestens 32, bei vielen Anbietern aber auch Richtung 40 Cent pro kWh.

Inwieweit es in deinem Haushaltsbudget für Strom tatsächlich zu einer Entlastung kommt, wird maßgeblich von der weiteren Preisentwicklung der Rohstoffe abhängen, aus denen der Strom gewonnen wird. Würde ich also erstmal ein Fragezeichen dran machen. (Geringverdiener sollen im Hinblick auf steigende Energiepreise zusätzlich unterstützt werden, diese Kompensation läuft dann aber separat).

 

Soziale Absicherung 

Wie auch schon im Sondierungspapier festgehalten, will die Ampel-Koalition die aktuelle Grundsicherung (Hartz 4) durch ein sogenanntes Bürgergeld ersetzen. Im Koalitionsvertrag steht dazu nun eine Konkretisierung, die einen wahrscheinlich ungeplanten, aber interessanten neuen Übergangsspielraum aus einem Angestelltenleben ins Early Retirement schaffen könnte. 

Wie das? 

Wenn du dich aus einer Angestelltentätigkeit heraus arbeitslos meldest, ist dein Anspruch auf Arbeitslosengeld I je nach Alter auf maximal 24 Monate begrenzt (in der Corona-Krise gab es Verlängerungen). Nach Ablauf dieser Zeit besteht die Möglichkeit, Grundsicherung zu beantragen. Bevor diese gezahlt wird, muss du allerdings dein Vermögen weitgehend für deinen Lebensunterhalt einsetzen. Außerdem wird geprüft, ob deine aktuelle Wohnsituation ‘angemessen’ ist, was in einer möglichen Verpflichtung resultiert, dir eine kleinere Wohnung zu suchen. 

Der Bezug des Bürgergeldes soll ‘in den ersten beiden Jahren…ohne die Anrechnung des Vermögens’ gewährt und die ‘Angemessenheit der Wohnung’ anerkannt werden. Es soll weiterhin Mitwirkungspflichten geben, aber keinen Vermittlungsvorrang. Stattdessen sollen Weiterbildung und Qualifizierung gestärkt werden. 

Wenn dies tatsächlich so umgesetzt wird, müsste es für einen Frugalisten oder eine Frugalistin, die ihr Vermögen in nicht-ausschüttenden ETFs angelegt hat, theoretisch möglich sein, nach dem Bezug von Arbeitslosengeld I weitere zwei Jahre lang – zum Beispiel parallel zu einer Weiterqualifizierung – den eigenen Lebensunterhalt aus dem Bürgergeld zu bestreiten, ohne das Risiko einzugehen, die aktuelle Wohnsituation verändern zu müssen. 

Ob solch ein Fall in der Praxis tatsächlich möglich sein wird, hängt von der Ausgestaltung der entsprechenden Gesetze ab. Ich bin jedenfalls gespannt, wie sich das Thema Bürgergeld entwickelt…

 

Einkommensteuer

Hier gibt es eine Änderung, die ich grundsätzlich sehr gut finde: Die Steuerklassenkombi III/V soll durch die Steuerklassenkombi IV/IV mit Faktor ersetzt werden. 

Klassischerweise ist es bei vielen Ehepaaren immer noch so, dass ein Partner deutlich mehr verdient als der andere. Dann werden die Steuerklassen häufig so verteilt, dass der Partner mit dem hohen Einkommen für den direkten Lohnsteuerabzug die Steuerklasse III wählt, die zu unterdurchschnittlichen Abzügen führt. Der andere Partner wählt die Steuerklasse V mit überdurchschnittlich hohen Abzügen, die aber dann natürlich auf eine niedrigere Basis anfallen. Bei der Steuererklärung wird das Ganze verrechnet und führt in der Regel zu einer Nachzahlung. Häufig sind es bei Ehepaaren die Frauen, die weniger verdienen, und deren Gehalt durch die hohen Abzüge auf dem Papier noch kleiner gemacht wird. Bei den aktuellen Negativzinsen gibt es in den meisten Situationen auch finanziell keinen guten Grund mehr für die asymmetrische Steuerklassenwahl.

Bei der Kombination IV/IV mit Faktor erfolgen die Abzüge stattdessen proportional zum Einkommen. So landet jeder Partner nur im Progressionsbereich der Steuertabelle, die auch tatsächlich seinem Einkommen entspricht. Dementsprechend sollte sich aus dem Arbeitseinkommen auch keine Nachzahlungspflicht ergeben (wenn du außerdem zum Beispiel noch positive Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung hast, dann natürlich schon). 

Negativ auswirken dürfte sich die Neuregelung im Vergleich zu vorher allerdings in Bezug auf Leistungen wie Arbeitslosen- und Elterngeld: dort besteht aktuell die Möglichkeit, durch einen rechtzeitigen Tausch der Steuerklassen die Höhe des Leistungsanspruchs positiv zu verändern. Hier wird zur Berechnung nämlich nicht das Brutto- sondern das letzte Nettoeinkommen herangezogen, je nach Steuerklasse kann das monatliche Netto aber um mehrere hundert Euro variieren. Dieser Tausch wäre beim Faktorverfahren nicht möglich.

 

Immobilien / Wohnen

Die Ampel-Koalition hat sich das Ziel gesetzt, 400.000 neue Wohnungen pro Jahr zu schaffen, ein Viertel davon öffentlich gefördert. Grundsätzlich finde ich Neubau die richtige Maßnahme, um der Wohnraumknappheit zu begegnen. Ob die Größenordnung realistisch ist, ist schwer zu sagen, mir erscheint die Menge hoch. In Hamburg, der zweitgrößten Stadt in Deutschland, wird das von der rot-grünen Landesregierung gesteckte Ziel von 10.000 neuen Wohnungen pro Jahr 2021 voraussichtlich verfehlt. Hier, und in anderen baulandknappen Regionen, wird eine verstärkte Neubautätigkeit im ersten Schritt eher die Kosten im Bausektor weiter treiben. Insbesondere, da auch der Bestand von Modernisierungsvorschriften betroffen ist. Insofern kommt das Neubau-Programm aus meiner Sicht fünf Jahre zu spät (woraus man den Grünen und der FDP keinen Vorwurf machen kann).

Zum Thema Miete gibt es mehrere Konkretisierungen, die dir wahrscheinlich unterschiedlich gut gefallen werden, je nachdem ob du Mieter oder Vermieter bist: 

Es soll in Zukunft eine Teilwarmmiete geben, in die die Heizkosten einbezogen werden. Dies ist angedacht, um energiesparende Maßnahmen an der Substanz für den Eigentümer attraktiver zu machen; je energieeffizienter, desto lukrativer. In der Teilwarmmiete soll auch die Modernisierungsumlage für energetische Maßnahmen aufgehen. Zum 1. Juni ist geplant, ein Stufenmodell einzuführen, das die Umlage der CO2-Kosten nach Gebäude-Energieklassen regelt. Sollte dies zeitlich nicht umsetzbar sein, greift erst einmal der hälftige Split der CO2-Kosten für die Heizung (Mieter/Vermieter). 

Die Nutzung von Sanierungsfahrplänen soll für WEGs und beim Kauf von Gebäuden kostenlos gemacht werden.

Die Mietpreisbremse wird ewig verlängert, nein, Scherz, nur bis 2029. Für Städte ab 100.000 Einwohner wird ein qualifizierter Mietspiegel obligatorisch, in den in Zukunft historische Mieten der vergangenen sieben statt wie bisher sechs Jahre einfließen. In Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt wird die mögliche Mietpreiserhöhung von maximal 15 Prozent innerhalb von drei Jahren auf maximal 11 Prozent gesenkt. 

Das sind keine katastrophalen Änderungen für Vermieter, und die Vorhaben sind grundsätzlich nachvollziehbar. Als Vermieter bringen mich die Vorgaben und die daraus resultierenden Kosten allerdings in die Situation, meine rechtlichen Möglichkeiten zur Mieterhöhung in Zukunft auch ausschöpfen zu müssen. Und zwar gerade, wenn ich mir in den letzten Jahren nicht durch das Ausreizen des Möglichen ein besonders fettes Polster aufgebaut habe. Es werden also sicherlich nicht die Vermieter belohnt, die in der Vergangenheit in nachfragestarken Gebieten ihre Mieten nur moderat angepasst haben. Und ob die Neuerungen am Ende wirklich den einkommensschwachen Mietern zugute kommt, wage ich zu bezweifeln. Aber da sind wir wieder am Anfang, am meisten hilft ein größeres Wohnraumangebot und sozialer Wohnungsbau.

Insofern bin ich aus Vermietersicht nicht ganz so positiv wie Marco von Immocation. Vielleicht ist meine anfängliche Erleichterung darüber, dass es nicht zu rot-rot-grün gekommen ist, aber auch einfach nur schneller verflogen als seine 😉 . 

 

Rente

Die sehr technischen Formulierung ‘Wir  werden  den  sogenannten  Nachholfaktor  in  der  Rentenberechnung  rechtzeitig  vor  den Rentenanpassungen  ab  2022  wieder  aktivieren  und  im  Rahmen  der  geltenden  Haltelinien  wirken lassen’ könnte man schnell überlesen, und der Folgesatz ‘So  stellen  wir  sicher,  dass  sich  Renten  und  Löhne  im  Zuge  der  Coronakrise  insgesamt  im Gleichklang  entwickeln  und  stärken  die  Generationengerechtigkeit  ebenso  wie  die  Stabilität  der Beiträge  in  dieser  Legislaturperiode’ hört sich doch auch erstmal gut an, oder? 

Ob das wirklich so ist, kommt aber auf den subjektiven Blickwinkel an. Denn eigentlich wurde für das kommende Jahr eine üppige Erhöhung des Werts eines Rentenpunktes erwartet, was im Einklang mit der aktuellen Lohnentwicklung steht. Allerdings ist der Nachholfaktor ursprünglich dafür geschaffen worden, bei den Rentenanpassungen auch mögliche Rückgänge in den Löhnen zu berücksichtigen – wie sie in 2020 aufgrund der Corona-Krise eingetreten sind. In solch einem Fall sollte es nicht zu einer Rentenkürzung kommen. Die nächste Rentenerhöhung sollte dann aber über den Nachholfaktor geschmälert werden, um die Einkommensentwicklung der Rentner nicht besser zu stellen, als die der Erwerbstätigen. Die alte Bundesregierung hatte 2018 den Nachholfaktor bis 2025 ausgesetzt. Wenn die Koalition ihre Pläne schnell genug umsetzt, wird die Rentenerhöhung 2022 niedriger ausfallen, als noch vor wenigen Wochen geschätzt – so wie es aktuell aussieht aber trotzdem im deutlich überdurchschnittlichen Bereich. Ob die Erhöhung die aktuell steigende Inflation kompensiert, ist natürlich noch mal eine andere Frage. Und für viele Rentner, die in der Regel weniger flexibel zusätzliches Einkommen generieren können als jüngere Menschen, sicher eine sehr relevante.

Vielleicht denkst du jetzt: die Rente ist noch so lange hin, das ist für mich jetzt nicht relevant. Dann immer im Hinterkopf behalten, dass der Wert der Rentenpunkte, die du später angerechnet bekommst, auf dem aktuellen Wert plus der zukünftigen Steigerungen beruht – insofern solltest du die Entwicklung im Auge behalten.

Es gibt noch eine zweite Änderung, die finanziell zwar keinen Riesen Unterschied macht, aber trotzdem interessant ist: die Ampel-Koalition will den Eintritt in die volle Versteuerung der Rente von 2040 auf 2060 verzögern, um eine mögliche Doppelbesteuerungsproblematik zu umgehen (die volle steuerliche Ansetzbarkeit der Rentenbeiträge soll von 2025 auf 2023 vorgezogen werden). Dafür soll der steuerfreie Anteil (wichtig: leider ein absoluter und kein prozentualer Betrag) der Rentenzahlung zum Renteneintritt ab 2023 statt mit einem Prozent pro Jahr nur noch mit einem halben Prozent pro Jahr abgeschmolzen werden. Wenn das so gemeint ist, wie ich es verstehe, werde ich diesen Aspekt bei der Überlegung ‘Rente mit Abschlag’ berücksichtigen, alles hilft 😉 .

 

So, der Post ist doch länger geworden als ich dachte – ist aber noch harmlos im Vergleich zum Koalitionsvertrag mit 178 Seiten…vielleicht stöberst du ja selber noch ein bisschen darin.

Jetzt wünsche dir aber erstmal einen schönen ersten Advent!

 

Katrin / Financial Independence Rocks.

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