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Steuerbasics für (Early) Retirees

Neulich hat mich ein Leser gefragt, ob ich einen Post zum Thema Steuern für „Frührentner“ schreiben könnte. Das mach ich gerne. Wie immer der Disclaimer: ich bin kein Finanz- oder Steuerberater, und berichte hier nur von meinen persönlichen Erfahrungen und Einschätzungen. Und das Ganze bezieht sich auf Deutschland, und den aktuellen Stand der entsprechenden Regelungen. 

Ach, und noch eine Sache: in diesem Artikel geht es um die ganz normale, in Deutschland politisch gewollte Steuergesetzgebung. Nicht um irgendwelche windigen Steuervermeidungstricks. Die finde ich auch nicht gut. Allerdings poppt in den Kommentaren zur FIRE-Bewegung häufig eine Grundkritik hoch, dass Early Retirees, die von ihren Kapitalerträgen leben wollen, sich damit steuerlich nicht mehr angemessen am Gemeinwesen beteiligen würden. Den Punkt finde ich generell nicht zutreffend, denn wer in Deutschland wohnt und konsumiert, zahlt unter anderem Umsatzsteuern, die den höchsten Anteil des Steueraufkommens ausmachen. Aber die meisten Kritiker vergessen glaube ich auch, dass viele Early Retirees in ihrem – vielleicht etwas kürzeren – Berufsleben schon deutlich überdurchschnittlich viel Einkommensteuern gezahlt haben. Möglicherweise sogar mehr als andere während ihres gesamten Lebens zahlen werden, das ist dann nur eine unterschiedliche Verteilung im Zeitverlauf. Aber jetzt weg vom Politischen zum Praktischen 😉 .

 

Bau die Steuern in deinen Finanzplan ein

Wenn du mit dem Gedanken spielst, in ein Early Retirement zu gehen – oder auch ganz generell, bevor du vom Arbeitsleben in die gesetzliche Rente wechselst – mach dich auf jeden Fall noch mal zu deiner individuellen Situation schlau, und konsultiere gegebenenfalls einen Steuerberater. 

Das ist besonders wichtig, wenn du dir mehrere Einkommensströme aufgebaut hast, die unterschiedlich besteuert werden. Vielleicht setzen Einkommensströme auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten ein, z.B. wenn sich der Cashflow einer vermieteten Immobilie nach Abzahlung des Kredits erhöht, oder wenn gesetzliche Rentenzahlungen einsetzen. Weil das bei uns genau so ist, habe ich unser “Retirement” in meiner Finanzplanung auch in mehrere Phasen eingeteilt.

Das ist dann bei der Berechnung ein bisschen 3-D-Schach. Du musst dir ein jährliches steuerliches Brutto aus deinem geschätzten monatlichen Bedarf an finanziellen Mitteln im Retirement hochrechnen. Lass dich nicht davon einschüchtern, wenn es sich im ersten Schritt kompliziert anhört, du kriegst das hin!

 

Änderungen bei gesetzlichen Regelungen im Blick behalten

Falls du aktuell deutlich jünger als 50 bist, solltest du zumindest im Hinterkopf behalten, dass das Renteneintrittsalter noch mal nach oben verschoben werden könnte. Ich habe auch in der Annahme zu arbeiten angefangen, dass die Rentenzahlungen mit 65 Jahren beginnen. Frauen konnten zu dem Zeitpunkt sogar schon mit 63 in Rente gehen. Wenn ich das jetzt machen will, muss ich einen Abschlag von 14,4% auf die Rente in Kauf nehmen, die ich ohne Abschläge erst ab 67 bekommen werde.

Außerdem wurde inzwischen vom Gesetzgeber beschlossen, dass Studienzeiten nicht mehr für Rentenpunkte berücksichtigt werden. Da das Rentensystem in Deutschland nicht kapitalgedeckt, sondern umlagefinanziert ist, gibt es innerhalb des Systems nur die Stellschrauben niedrigere Auszahlungen oder höhere Einzahlungen. Oder es müssen Steuermittel eingesetzt werden, was eine Perversion des Systems ist. Aufgrund der ungünstigen demographischen Entwicklung in Deutschland wird es also mit Sicherheit auch in Zukunft Veränderungen in diesem Bereich geben.

 

Achtung: Renten müssen in Zukunft voll versteuert werden

Warum ist das Thema gesetzliche Rente in Bezug auf Steuern für dich wichtig? Falls du ab 2040 in Rente gehst, wird deine Rente auf jeden Fall voll versteuert. Und zwar mit deinem persönlichen Steuersatz. Je nachdem, wie deine weiteren Einkommensströme aussehen, könnten daher beim Bezug von Altersrente strukturelle Umschichtungen sinnvoll sein. Zum Beispiel könntest du dir als Vermieter überlegen, den steuerpflichtigen Cash-flow aus einer Immobilie durch einen Verkauf in steuerfreien Cash umzuwandeln, wenn du die Immobilie länger als 10 Jahre gehalten hast.

Um die steuerlichen Rahmenbedingungen für (Early) Retirees für dich greifbarer zu machen, veranschauliche ich dir das Ganze am Beispiel unserer unterschiedlichen „passiven“ Einkommensströme. Wenn Du den verlinkten Post noch nicht gelesen hast: Wir haben geplant unseren Lebensunterhalt aus Versicherungsleistungen, Mieteinnahmen, Dividenden und unseren gesetzlichen Renten zu finanzieren.

Die Zusammensetzung wird in deinem individuellen Fall anders aussehen. Aber so hast du schon mal die Basics, und kannst dann alleine weiter recherchieren. Wenn du eine konkrete Rückfrage hast, kannst du mich auch gerne unter katrin@financialindependencerocks.com kontaktieren.

 

Steuerfreie Auszahlungen aus Versicherungen

Bis 2004 gab es die Regelung, dass Kapital-Lebensversicherungen und private Rentenversicherungen nach einer Haltedauer von 12 Jahren als Einmalbetrag steuerfrei ausgezahlt werden konnten. (Bei einer Auszahlung als monatliche Rente ist der Ertragsteil steuerpflichtig). Normalerweise sind Versicherungsprodukte zur Kapitalanlage keine gute Idee, bei den aktuellen Garantiezinsen schon gar nicht.

Aber wenn du noch einen Altvertrag hast, bei dem die Einmalzahlung steuerfrei ist, kann das eine interessante Cash-Basis sein. Oder bei mehreren nacheinander fälligen Verträgen wie bei uns auch eine steuerfreie Cash-Leiter. Diesen Cash kannst du direkt für Konsum einsetzen oder damit Schwankungen der Einnahmen aus anderen Kapitalanlagen abfedern. 

 

Steuerliche Freibeträge ausnutzen

Für uns werden als Early Retirees neben der Cash-Leiter aus “alten” Versicherungen primär Einnahmen aus vermieteten Immobilien und aus Kapitalerträgen relevant. In Phase 2 kommt dann die gesetzliche Rente ins Spiel, die bei Early Retirees niedriger ist, als bei jemandem, der bis 67 arbeitet. Alle diese Einnahmen sind steuerpflichtig.

Grundsätzlich gibt es für jeden einen Steuerfreibetrag, der dem Existenzminimum entspricht. Dieser Freibetrag liegt 2020 bei 9.408 Euro für einen Single, für Verheiratete gelten die doppelten Beträge. Dazu gibt es Freibeträge für die Krankenversicherung. Für Privatversicherte nur in Höhe der Basisabsicherung, die der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht. Trotzdem kann dies ein erheblicher Betrag sein. Logisch, du musst auch den vollen Beitrag selber zahlen, kannst aber auch den vollen Beitrag der Basisabsicherung ansetzen – und wirst damit wahrscheinlich weit über den 1.900 Euro landen, die du ansonsten für weitere Vorsorgeaufwendungen geltend machen kannst. (Das ändert sich nochmal, wenn du beim Bezug der gesetzlichen Rente wieder Zuschüsse zur Krankenversicherung bekommst). Wenn die Basisabsicherung dich zum Beispiel 500 Euro pro Monat kostet, ergeben sich 6.000 Euro pro Jahr. Zusammen mit dem Freibetrag für das Existenzminimum liegst du dann schon bei über 15.000 Euro, auf die keine Einkommensteuer fällig werden sollte.

Je nachdem, wie hoch in Phase 2 deine gesetzliche Rente ausfällt, kann es sein, dass du alleine mit deinem Renteneinkommen trotzdem schnell über den Freibeträgen liegst, und bei hohen Rentenansprüchen auch relativ weit oben in der Steuerprogression landest. Auf Steuertabelle.com (kein Affiliate) kannst du dir einen Eindruck verschaffen, wieviel Steuern auf jeden zusätzlichen Euro (der Grenzsteuersatz), und wie viel Steuern durchschnittlich auf ein bestimmtes Einkommen fällig werden. Schau dir das doch einfach jetzt schon mal für den gesetzlichen Rentenanspruch an, den du aktuell erwartest.

 

Es kommt auf den Einkünfte-Mix an

Wie gesagt, hier geht es um Einkünfte, die du mit deinem persönlichen Steuersatz versteuern musst. Bis zum Bezug der gesetzlichen Rente kann es aber sein, dass dein Einkommen sich so zusammensetzt, dass gar nicht der persönliche Steuersatz für den Gesamtbetrag zum Tragen kommt. Zum Beispiel, wenn du aus dem Cash-Flow von vermieteten Immobilien leben willst. Oder aus Kapitalerträgen. Oder einem Mix aus beiden, so wie wir.

Bei vermieteten Immobilien versteuerst du nicht deine Einnahmen, sondern „nur“ den Gewinn. Und der ergibt sich nicht nur aus Einnahmen minus Kosten, sondern wird noch durch die steuerliche Abschreibung des Gebäudeteils gemindert. Und die Kapitalertragssteuer auf Dividenden und Gewinne aus Aktien- oder ETF-Verkäufen beträgt oberhalb eines jährlichen Freibetrags von 801 Euro pro Person 25%, während der höchste Steuersatz in der normalen Progression bei 42% liegt, oder 45%, wenn du in die Region der “Reichensteuer” kommst (aktuell noch jeweils plus Soli und gegebenenfalls Kirchensteuer, der Soli auf die Kapitalertragssteuer soll erhalten bleiben).

 

Günstigerprüfung bei Kapitalerträgen

Wenn du primär von Kapitalerträgen lebst, und dein persönlicher Steuersatz damit unter 25% bleibt, kannst du beim Finanzamt in deiner Einkommensteuererklärung die Günstigerprüfung beantragen. Dann bekommst du die Differenz zu deinem persönlichen Steuersatz erstattet. Ich gehe davon aus, dass auch hier der Progressionsvorbehalt gilt. Sprich, wenn du Dividendeneinnahmen von 20.000 EUR pro Jahr hättest, ansonsten aber keine steuerpflichtigen Einkünfte, müsste auch für das Dividendeneinkommen der persönliche Grenzsteuersatz angewandt werden, der bei 20.000 Euro Einkommen gilt. Ansonsten würde das nach meinem Verständnis gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen.

Zu diesem Thema hat auch Oliver von frugalisten.de einen Artikel geschrieben, und in den Kommentaren gab es eine kontroverse Diskussion. Eine verbindliche Auskunft kann dir aber nur ein Steuerberater geben. (Und beim Privatier Peter Ranning gibt es einen Post zur korrekten steuerlichen Abgrenzung der Begriff Einkünfte, Einkommen, Einnahmen etc., ich verwende das hier umgangssprachlich etwas lässiger. Außerdem hat er hier umfangreiche weitere Informationen zum Thema Steuern und Early Retirement zusammen gestellt.).

 

Nur mal als Idee: ein kleines, steuerfreies, aktives Einkommen aus einem Minijob?

Einen – zwar nicht passiven – aber steuerfreien Einkommensstrom im (Early) Retirement kannst du mit einem 450-Euro-Job erzielen. Wenn du keine Lust mehr auf einen 40-Stunden-Job hast, aber trotzdem noch ein bisschen Arbeitsstruktur in deiner Woche möchtest, ist das eine überlegenswerte Möglichkeit. In der Praxis wird bei solchen Jobs häufig nur der Mindestlohn gezahlt. Es gibt aber Arbeitgeber, die ganz interessante Benefits bieten, z.B. einen Zuschuss zum Ticket für den ÖPNV oder Mitarbeiterrabatte. Das hilft dann neben den Einnahmen auch auf der Ausgabenseite. 

Grundsätzlich bietet ein Mini-Job die Option, einen Mindestanspruch an Rentenversicherungspunkten zu sammeln. Das kann interessant sein, wenn dir zum Beispiel noch Versicherungszeiten für bestimmte Anspruchsschwellen fehlen. Ich mache keinen Mini-Job, zahle aktuell aber den Mindestbeitrag, um ab 63 die Option auf eine Rente mit Abschlägen zu haben. Voraussetzung dafür sind 35 Jahre anrechenbare Zeiten in der Rentenversicherung. Anderer Fall, in dem dies relevant sein kann: wenn du die Option des Rentensplittings nutzen möchtest (geht bei Ehepaaren und eingetragenen Lebenspartnerschaften), muss jeder der Partner eigene 25 Jahre an versicherungsrelevanten Zeiten erworben haben.

 

Bezieh die Steuergestaltung bei deinen Planungen mit ein

Wenn du tiefer in unser Steuersystem einsteigst siehst du, warum es interessant sein könnte, mit dem Mix aus deinen Einkommensströmen nur so viel zu versteuernde Einkünfte zu generieren, dass du in den niedrigeren Bereichen der Steuerprogression bleibst. (Leider nicht so interessant wie in den USA, wo innerhalb der einzelnen Progressionsstufen für jeden zusätzlich verdienten Dollar der gleiche Steuersatz anfällt – bei uns steigt der Steuersatz auch innerhalb der Zonen bis 42% für jeden weiteren Euro an. Das ist wichtig zu wissen, wenn du auch US-FIRE-Blogger und Podcasts verfolgst. Dort geht es oft um die Empfehlung, als (Early) Retiree in den niedrigen “Tax Brackets” zu bleiben).

Wenn du mit niedrigen Lebenshaltungskosten planst, und eher zur Frugalisten-Fraktion gehörst, ist das ein Luxusproblem. Wenn du eher in Richtung Fat FIRE denkst, oder noch mit einer relevanten staatlichen Rente rechnest, macht es aber auf jeden Fall Sinn, das Thema „Steuergestaltung“ in deine Überlegungen als (Early) Retiree mit einzubeziehen.

Financial Independence Rocks.

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4 Comments

  • Reply
    Joerg
    February 19, 2020 at 12:17 pm

    Hallo Katrin,
    ganz gut, dein Artikel.
    Ggfls waere noch ein Link zur Freiheitsmaschine eine gute Abrundung/Bereicherung.
    zB “0% Steuern in Deutschland” https://freiheitsmaschine.com/2018/04/26/investmentsteuerreformgesetz-2018-kapitalertragsteuer-guenstigerpruegung-steuer-deutschland/
    Kennst Du?
    LG Joerg

    • Reply
      Financial Independence Rocks!
      February 19, 2020 at 2:44 pm

      Hallo Joerg,

      danke für’s kommentieren! Und ja, die Freiheitsmaschine kenn ich, Link ist hiermit ja drin 😉 , dort finde ich auch die Artikel zum Thema gesetzliche Rentenversicherung interessant.

      Liebe Grüße

      Katrin

  • Reply
    Kurt
    February 21, 2020 at 2:05 pm

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    Da das Rentensystem in Deutschland nicht kapitalgedeckt, sondern umlagefinanziert ist, gibt es innerhalb des Systems nur die Stellschrauben niedrigere Auszahlungen oder höhere Einzahlungen. Oder es müssen Steuermittel eingesetzt werden, was eine Perversion des Systems ist.
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    Sehe ich nicht so. Da der Staat das Rentensystem auch mit Leistungen belastet, die nicht auf Einzahlungen zurück zuführen sind.
    Beispiel Punkte für Ausbildung (ohne Einzahlungen), Kinder, Aufrundungen/Aufstockung, Anerkennung für Tätigkeiten im Ausland (Umsiedler) usw.

    • Reply
      Financial Independence Rocks!
      February 21, 2020 at 2:14 pm

      Okay, fairer Punkt – ich finde klar voneinander getrennte Systeme ehrlicher – persönliche Meinung – und in jedem Fall transparenter. Danke für Deinen Kommentar!

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