Wenn du finanziell unabhängig werden willst, brauchst du Durchhaltevermögen. Klar, es gibt Extrembeispiele wie Jacob Lund Fisker, der nach nur fünf Jahren “durch” war. Aber Jacob hat auch einen SEHR reduzierten Lebensstil für jemanden, der aus Westeuropa kommt und in Amerika lebt.
Und auch wenn du dich mit dem nicht ganz so krassen, aber immer noch frugalen Lebensphilosophie von Mr Money Mustache anfreunden kannst, brauchst du schon Rückenwind an den Börsen oder Immobilienmärkten, um so ein Ziel in 10 bis 15 Jahren zu erreichen. Ich selber würde eher mit mindestens 20 Jahren rechnen. Wie motivierst du dich über so lange Zeit?
So motivierst du dich langfristig
Natürlich hilft es schon einmal, sich in der FI(RE)-Community zu bewegen und mit Gleichgesinnten auszutauschen. Das ist besonders wichtig, weil die Mainstream-Gesellschaft eher auf Konsum gepolt ist, und du in deinem realen Umfeld wahrscheinlich jede Menge Skeptiker triffst. Beim nächsten Börsen-Rücksetzer werden die auch wieder deutlich lautstärker werden. Du brauchst also in dieser Hinsicht ein dickes Fell.
Und wenn’s dir so geht wie den meisten, musst du auch immer wieder den eigenen Schweinehund überwinden. Und der ist manchmal besonders bockig. Deshalb habe ich noch einen Tipp für dich, der den Weg zur finanziellen Unabhängigkeit mental kürzer wirken lässt.
Zwischenziele setzen
Zum einen solltest du dir generell Zwischenziele setzen. Das habe ich hier für dich beschrieben. Schau dir den Post auf jeden Fall an, wenn du dir noch keine Gedanken zu deinem persönlichen Financial-Independence-Plan gemacht hast.
Aber es geht noch konkreter. Beim Langfrist-Plan rechnest du mit einem Multiplikator deiner monatlichen oder jährlichen Gesamtausgaben. Das brechen wir jetzt wieder runter. Du hast ja inzwischen bestimmt angefangen deine Ausgaben zu tracken.
Da gibt es die “großen” Kosten, zum Beispiel für Miete, Lebensmittel und dein Auto. Aber sicher auch kleinere Beträge wie ein Zeitschriften- oder Netflix-Abo oder deinen Handy-Vertrag. Klar, wenn du komplett finanziell unabhängig sein willst, müssen alle deine Ausgaben von deinen job-unabhängigen Einkommensströmen gedeckt werden.
Ausgaben abhaken
Aber wie cool ist es, wenn du als erstes schon mal das Netflix-Abo aus “passivem” Einkommen bezahlen könntest? Und dann deinen Handy-Vertrag? Und dann das Benzin für dein Auto?
Mein Vorschlag für dich ist also, dass du dich nicht auf die große Zahl am Ende konzentrierst. Sondern einmal auf schneller erreichbare Zwischenziele wie deine Notfall-Rücklage oder auch ein Jahresgehalt als “Fuck-You-Money”. Gleichzeitig würde ich nach dem Ansparen der Notfall-Rücklage anfangen, in gecoverten Ausgaben denken, und die dann nach und nach abhaken.
Der umgekehrte “Debt-Snowball”
Damit du möglichst schnell einen Erfolg siehst, macht es Sinn mit der kleinsten Ausgabe zu starten. Das ist im Grund die gleiche Logik wie beim “Debt-Snowball” zum Abbau von Konsumschulden. Nur dass wir sie hier für die Psychologie beim Vermögensaufbau nutzen.
Und wie rechnest du jetzt aus, wann du die Ausgabe mit “passivem” Einkommen abgedeckt hast? Ich würde es nicht komplizierter machen, als notwendig und hier mit dem Näherungswert der 4%-Formel arbeiten. Du kannst auch individuelle Zahlen nutzen, wenn du zum Beispiel Einnahmen aus einer vermieteten Wohnung hast. Oder Dividenden-Aktien, bei denen du genau weißt, dass du das Kapital nicht verzehren willst. Aber wie gesagt, ich würde es in diesem Stadium einfach halten, Fine-Tuning kannst du machen, je näher du dem großen Ziel kommst.
Bleiben wir bei dem Netflix-Beispiel. Nehmen wir eine monatlich Ausgabe von 10,99 EUR an. Das sind im Jahr 120,78 EUR. Du legst deine Sparrate in einem ETF-Sparplan auf den MSCI World oder auf den FTSE All-World an und wir rechnen mit der 4%-Formel. Dann brauchst du ein Kapital von 3.019,50 EUR in deinem ETF, um dein Netflix-Abo dauerhaft aus diesem Kapital bedienen zu können. (Die Inflation ist hier schon berücksichtigt. Schau dir bei Bedarf gerne noch mal meinen Post zur 4%-Formel an, da ist die Logik noch mal ausführlich erklärt.)
Ein wichtiger Punkt, nur damit es kein Missverständnis gibt: auch wenn du die Ausgabe schon aus dem Vermögensertrag bestreiten könntest, tust du das natürlich aktuell noch nicht. Dein Vermögen soll ja weiter wachsen, und langfristig auch die anderen Ausgaben decken. Also: Ausgabe abhaken – das würde ich mir auch wirklich visualisieren, kommt gut – und schön weiter sparen und investieren.
Der Zinseszinseffekt gibt dir Rückenwind
Und was ist, wenn du jetzt denkst, okay, 3.000 EUR sind jetzt ja nicht so viel, aber für die großen Ausgaben brauche ich dann ja richtig viel Kapital? Ja stimmt, höheren Ausgaben muss auch ein größeres Kapital gegenüberstehen.
Aber du darfst nicht vergessen, dass dir über die Zeit auch der Zinseszins-Effekt bei der Vermögensbildung hilft. Und das deutlich mehr, je länger er wirken kann. Wenn du von Anfang an nicht auf einen Sprint zur finanziellen Unabhängigkeit setzt, sondern auf einen Marathon, schiebt dich dieser Effekt am Ende der Strecke noch mal so richtig an. Und da du dich psychologisch über das Abhaken der kleineren monatlichen Ausgaben immer weiter bis zu den größeren Ausgaben hangelst, sollte dein Vermögen bei durchschnittlichen Renditen deutlich gewachsen sein, wenn du bei den “big ticket items” wie deiner Miete angekommen bist.
Gleichzeitig ist der Zusammenhang zwischen Höhe der Ausgabe und benötigtem Kapital natürlich auch noch mal ein schöner Reminder, dass es sich lohnen könnte, über Einsparungen nachzudenken. Ich hab zu den Themen Sparen bei Wohnen, Lebensmitteln, Mobilität, Do-it-Yourself und Strom, Gas, Versicherungen ein paar Ideen für dich zusammengetragen, schau doch mal rein.
Noch zwei Faustformeln
Es gibt übrigens auch noch zwei ganz coole Faustformeln, wenn du mal schnell ausrechnen möchtest, was bestimmte Ausgabe-Gewohnheiten dich beim Vermögensaufbau kosten. Und zwar sind das die 752- und die 173-Formel. Was hat es damit auf sich? Die Formeln sagen dir grob, über viel Kapital du nach 10 Jahren verfügen würdest, wenn du auf eine wöchentliche Ausgabe (752-) oder eine monatliche Ausgabe (173-) verzichtet und das Geld in einen breiten Welt-Aktien-ETF investiert hättest (bei den Formeln ist eine durchschnittliche langfristige Aktien-Rendite von 7% unterstellt). Das ist natürlich keine exakte Angabe, aber eine gute Indikation der Größenordnung.
Um bei dem Netflix-Beispiel zu bleiben: Nehmen wir einmal an, du hast auch noch ein Amazon-Prime-Abo. Brauchst du wirklich beide Abos? Wenn du jetzt das Netflix-Abo kündigst und die 10,99 EUR monatlich in deinen ETF investierst, kannst du in 10 Jahren ein zusätzliches Kapital von gut 1.900 EUR bilden. Und wenn du nur noch Montags und Freitags 5 EUR für ein Brötchen und einen Kaffee auf dem Weg ins Büro ausgibst statt an jedem Arbeitstag, werden aus den pro Woche eingesparten 15 EUR in 10 Jahren 11.280 EUR. Krass, oder?
Nicht spaßfrei sparen
Ich merke gerade bei solchen Sachen wie dem regelmäßigen Kaffee oder Brötchen außer Haus, dass ich die langfristigen Kosten völlig unterschätzen würde. Selbst ohne den Zinseszins-Effekt. Aber ich würde auch nicht alles streichen, was mir Freude macht, nur um meinen Vermögensaufbau schnellstmöglich voranzutreiben.
Du musst eine Balance finden, die für dich passt. Das kann auch mal eine zeitlang verschärftes Sparen sein, und dann wieder einen Gang runter schalten. Alles gut, Hauptsache du bleibst langfristig dran – glaub an dich, ich bin mir sicher, du schaffst das.
Katrin / Financial Independence Rocks.
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