Ich habe mich entschieden, heute zu einer aktuellen News aus dem deutschen Immobilien-Investment-Bereich zu schreiben. Warum? Weil ich den Eindruck habe, dass hier noch Aufklärungsbedarf besteht. Wenn du dich schon besser auskennst, ist das vielleicht einfach noch mal ein Reminder für dich.
Was ist passiert? Ich habe letzte Woche auf der Homepage unserer regionalen Tageszeitung zufällig die Schlagzeile gesehen: “Hamburger Zinsland: Anleger bangen um 1,9 Millionen Euro.” Weil mich das Thema interessiert, habe ich da natürlich draufgeklickt. Der Artikel startet mit dem Satz “Rund 1.000 Sparer hofften auf Zinsen von 6 Prozent und müssen jetzt ihr Geld wahrscheinlich abschreiben.” Der Rest ist nur über die Paywall zugänglich. Später mehr dazu, warum ich dir das hier so wörtlich wiedergebe.
Auch Gründerszene hat berichtet, wenn du die Meldung nachlesen möchtest. Die Pressemitteilung von Zinsland selber ist sehr dünn. Proaktiv auf der Homepage habe ich keine Info gefunden. Essenz ist wohl, dass ein Frankfurter Projektentwickler, der über Zinsland Finanzierungsmittel als Nachrangdarlehen für die Neubauprojekte “Nassauer Hof” und “Steinbacher Terrassen” von Kleinanlegern eingeworben hat, Insolvenz anmelden musste.
Die Projekte hörten sich gut an
Wenn man die Projekte über die Links auf Gründerszene direkt auf der Zinsland-Seite aufruft, kann man sehen, dass einmal 6% und einmal 6,5% für Anlegergelder geboten wurden und die Projekte etwa 15 – 18 Monate laufen sollten. Die Bilder sehen professionell aus, die Beschreibung hört sich überzeugend an, und die Projekte scheinen von einem erfahrenen Projektentwickler gesteuert zu werden. Hört sich doch alles gut an?
Aber dein Kapital investiert du bei diesen Anlagen nicht direkt als Eigenkapital in Immobilien, sondern du stellst Fremdkapital zur Verfügung. Du gewährst einem Projektentwickler ein Nachrangdarlehen, das nicht mit einer Grundschuld besichert ist. Als Gläubiger eines Nachrangdarlehens stehst du – wie der Name schon sagt – hinter anderen Gläubigern.
Bei Nachrangdarlehen stehst du am Ende der Kette
Das ist alles kein Problem, wenn das Projekt so läuft wie geplant und die Wohn- oder Gewerbeeinheiten zu den angesetzten Preisen verkauft oder vermietet werden können. Aber wenn es Probleme gibt, stehst du mit einem Nachrangdarlehen ganz weit hinten. Vor dir steht in der Regel eine Bank, die nur so viel finanziert, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit ihre Forderung auch im Falle einer Insolvenz aus der Insolvenzmasse bedient werden kann.
Es ist auch nicht unüblich, dass bei Immobilienprojekten einzelne Tranchen von kapitalstärkeren Privatinvestoren finanziert werden, die dafür einen höheren Zins und gegebenenfalls auch andere Sicherheiten verhandeln, als du sie typischerweise als Crowdinvestor bekommst. Inwieweit dies auch auf Projekte bei den deutschen Crowdinvesting-Plattformen zutreffen könnte, kann ich nicht beurteilen. Wenn du an Real Estate Crowdinvesting interessiert bist, solltest du versuchen die Strukturierung der Finanzierung und deinen Status als Gläubiger in dieser Struktur so genau wie möglich nachzuvollziehen. Nur so kannst du ein Gefühl dafür bekommen, ob die Risikoprämie – der Zins, den du für deine Investition bekommst – aus deiner Sicht angemessen ist oder nicht.
Zinsen sind eine Risikoprämie
Denn genau das sind die Zinsen: deine Vergütung für das Risiko, dass du dein eingesetztes Kapital teilweise oder auch ganz verlierst. Vor diesem Hintergrund sind die Zinsen für eine langfristige Anlage normalerweise höher als für eine kurzfristige. Und für eine “riskantere” Anlage höher als für eine “sichere”. Benchmark ist der “risikofreie Zinssatz”. Also der Zinssatz, den aktuell ein Schuldner zahlt, bei dem allgemein davon ausgegangen wird, dass keinerlei Ausfallrisiko für Zinszahlungen und Kapitalrückführung besteht. In der Praxis ist das normalerweise der Zinssatz für Staatsanleihen bester Bonität. Also zum Beispiel deutsche Staatsanleihen für den Euroraum. (Wenn man sich die aktuellen Zinssätze für Staatsanleihen im Vergleich anschaut, wären natürlich US-Anleihen super, aber leider besteht dort ein Währungsrisiko für Anleger, die Erträge in Euro erzielen wollen).
Jetzt kannst du einen Zinssatz von 6% oder 6,5% auf eine Laufzeit von anderthalb Jahren für ein Nachrangdarlehen an einen Immobilienentwickler angemessen finden oder nicht. Das geht prozentsatzmässig in die Region von durchschnittlichen Langfrist-Renditen im Aktienmarkt, die aber kurzfristig auch mal um zweistellige Prozentsätze nach unten abrutschen können. Wenn du dir die aktuellen Zinsen für eine vergleichbar lange Anlage in Festgeld anschaust, werden dir wahrscheinlich die Tränen kommen. Nach Angaben von Zinsland gibt es aktuell 79 Projekte, die erfolgreich abgeschlossen wurden. Insofern kann ich schon verstehen, dass Kleinanleger Crowdinvesting interessant finden.
Achtung, Hype
Aber Achtung: es gibt nach meinem Eindruck neben dem Hype um alles, was unter Start-up und Fintech läuft, und ja so gaaaanz anders ist als die old-school Verkäufer von Banken und Versicherungen, im Moment einen Hype um Immobilieninvestitionen- und -investoren. Ich selber trage in diesem Blog ja wahrscheinlich auch dazu bei, wenn ich über den erfolgreichen Aufbau von Einkommensströmen aus Anlage-Immobilien schreibe.
Mir – und das sehe ich auch bei einigen anderen Bloggern und Youtubern – ist aber wichtig, gleichzeitig auch auf die Risiken und Probleme aufmerksam zu machen, die es für dich auf diesem Weg geben kann. Und darauf, dass es normalerweise Zeit und den Aufbau von Erfahrung durch Fehler kostet, bis man diesen Erfolg erreicht. Und da solltest du immer auch hinter die schöne Kulisse sehen und verstehen, wie das Geschäftsmodell aussieht, in das du investierst. Und wer wann wie von deiner Investition profitiert.
Auch die Digital Economy will verkaufen
Dabei kann aus meiner Sicht Real Estate Crowdinvesting innerhalb der Diversifikation eines Portfolios durchaus einen Anteil haben. Aber ich muss verstehen, wann ich nicht in eine Immobilie investiere, sondern einen unbesicherten Kredit gewähre. Und welche spezifischen Risiken damit verbunden sind. Wird mir das klar, wenn ich als potentieller Kleinanleger auf eine Plattform wie Zinsland komme?
Mein Eindruck: Eher nicht. Ja, korrekterweise gibt es bei den einzelnen Projekten und auch generell im unteren Bereich der Seite die gesetzlich vorgeschriebenen Hinweise auf das Risiko und den möglichen Vermögensverlust. Die Kommunikation ist aber eindeutig darauf ausgerichtet, mir das Gefühl zu geben, mit einer Investition zum Club der erfolgreichen Immobilieninvestoren dazugehören zu können. Sicher ist nicht umsonst einer der beliebtesten Artikel auf dem Blog “Mit Immobilien reich werden – Thesen, Erfolgsstories und Rezepte”.
Ich kann diese Art der Kommunikation aus Marketingsicht gut verstehen, ich habe selber lange genug in dem Bereich gearbeitet. Den 4. Punkt im Inhaltsverzeichnis finde ich allerdings grenzwertig “Per Crowdinvesting in Immobilien investieren”. Du weißt ja inzwischen, dass du in den meisten Crowdinvesting-Projekten eben nicht in Immobilien investieren kannst, sondern eher dein Kapital für ein Laie-to-Profi-Lending zur Verfügung stellst. Direkt dahinter dann als Case Study “Immobilien-Selfmade-Millionär” Gerald Hörhan zu bringen, der ja keinesfalls durch Crowdinvesting zu einem Immobilienvermögen gekommen, aber natürlich vielen potentiellen Crowdinvestoren ein Begriff ist – wie gesagt, für mich grenzwertig.
Lehman 2.0?
Wenn das auf eine Öffentlichkeit trifft, die sich in renommierten Medien informiert, die Crowdinvesting mit “Sparen” gleichsetzen, siehe der Artikel im Hamburger Abendblatt, kommen bei mir “Lehman 2.0”-Assoziationen auf. Auch bei den berüchtigten Zertifikaten, mit denen viele deutsche “Sparer” Geld verloren haben, hätte man sich mit minimalem Aufwand vor einer Investition darüber informieren können, dass es ein Emittenten- und damit ein Total-Verlust-Risiko gibt. Ich will damit auf keinen Fall Banken in Schutz nehmen, die die Leicht- und Gutgläubigkeit ihrer Kunden beim Verkauf der Zertifikate massiv zum eigenen Vorteil ausgenutzt haben. (Interessanter Fact hierzu: am letzten Freitag lief auf 3sat noch einmal die Reportage “10 Jahre nach der Finanzkrise: Die Party der Banker geht weiter”. Dabei wurde deutlich, dass Anleger, die die Zertifikate weiter gehalten haben, inzwischen ungefähr 60 Prozent Kapitalrückfluss hatten. Dagegen hatten Anleger, die sich mit ihrer Bank auf einen Vergleich geeinigt und die Zertifikate an die Bank zurück verkauft haben, hierfür nur etwa eine Quote von 25% bekommen. Insofern alles wie gehabt: die Bank gewinnt immer.)
Du musst also wissen, dass eben auch dieses Mal nicht alles anders ist, nur weil wir jetzt alle so hip und digital sind: Es gibt bei allen Investitionsmöglichkeiten immer noch unterschiedliche Stakeholder mit unterschiedlichen Interessen. Und diese Interessen müssen nicht immer in dieselbe Richtung laufen. Auch die Risiken müssen sich nicht gleich verteilen. Beim Crowd-Investing gibt’s ja in der Regel auf der Website auch einen Bereich für die Projektentwickler/Darlehensnehmer. Schau auch dort mal, um ein besseres Gefühl für die Interessen deiner Geschäftspartner zu bekommen.
Die Plattform gewinnt immer
Im Plattform-Geschäft bekommt der Betreiber in der Regel seine Marge beim Vertragsabschluss – gegebenenfalls von beiden Seiten. Er verdient also unabhängig davon, ob das Projekt gut oder schlecht läuft. Mir würde das Real Estate Crowd-Investing deutlich besser gefallen, wenn ich auf den Anbieter-Seiten diesbezügliche Transparenz sehen würde – solltest du hier positive Beispiele kennen, gib mir gerne eine Info.
Zur Transparenz gehört für mich auch ein ehrlicher Track-Rekord. Im konkreten Fall von Zinsland hieße dies für mich, nicht nur die Anzahl der erfolgreichen Projekte anzugeben, sondern auch die bisherige Ausfallquote. Natürlich nicht als Aufmacher auf der Startseite. Aber schon deutlich. Mit den zwei Projekten aus dem aktuellen Insolvenz-Fall und dem Projekt “Luvebelle” in Berlin, dessen Entwickler laut Zinsland Ende 2017 Insolvenzantrag stellte, gibt es nach meinem Infostand auf dieser Plattform inzwischen drei Projekte, bei denen von Ausfällen für die Crowdinvesting-Kleinanleger ausgegangen werden muss. Dies entspricht aktuell einer Quote von 3,66%.
Alle Immobilienprojekte sind mit Risiken verbunden
Anlegerverluste sind nie toll – auch nicht für Zinsland, denn das ist Negativ-PR – aber es ist einfach realistisch, dass auch Projekte ausfallen. Sollte es eine Rezession geben, oder die Zinsen deutlich steigen, wird das Ausfallrisiko steigen. Du musst auch bei einer Direktanlage in Immobilien mit Kostenrisiken rechnen. Dort hast du allerdings zumindest den Vorteil, dass du selber unternehmerisch agierst, und den unternehmerischen Risiken Steuervorteile gegenüberstehen. (Wenn du hierzu mehr wissen willst, schau gerne in meinen Post “Investier die Differenz – Einkommen aufbauen mit Immobilien”).
Beim Real Estate Crowdinvesting liegen die steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten beim Projektentwickler. Und wenn ich richtig informiert bin, gibt es neuerdings bei Zinserträgen noch die für private Kleinanleger unglückliche politische Entwicklung, dass diese mit dem persönlichen Steuersatz versteuert werden müssen, und nicht mehr mit dem – häufig günstigeren – Abgeltungssteuersatz.
Mein Fazit
Also, was ist mein Fazit? Ich möchte aktuell in Deutschland nicht in Crowd-Investing investieren. Für mich stimmt das Chance-Risiko-Verhältnis nicht. Je nach deiner individuellen Situation kann Immobilien-Crowdinvesting eine Möglichkeit zur Diversifikation deines Portfolios sein. Ich würde das allerdings nicht primär als Immobilien-, sondern eher als alternatives Investment einordnen, ähnlich wie Peer-to-Peer-Lending.
Wenn du so eine Investition in Betracht ziehst, schau dir die Projekte genau an und versuch so viele relevante Infos wie möglich zu bekommen. Mach dich auch bei anderen Bloggern schlau, die selber Crowd-Investoren sind, und schau dir deren Strategien an. Dann kannst du eine fundierte Entscheidung treffen.
Aktualisierung 20.09.2019: Ich habe gerade einen super Artikel gelesen, der die Risiko- und Profit-Verteilung an einem konkreten Projekt von Exporo im Detail analysiert – und meine Vermutungen zumindest für diesen Fall komplett bestätigt. Schau dir das auf jeden Fall mal an.
Katrin / Financial Independence Rocks.
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